Die Freiheit zur Ausbeutung

Von Lydia Matzka · · 2000/12

Das Bild vom vorbildhaften demokratischen System der USA bröckelt. Warum aber erst jetzt?

Irgendwie war ich irritiert, als kritischer Geist stets alarmiert bei Pauschalverurteilungen, als ich dem großen Friedens- und Konfliktforscher Johan Galtung gegenübersaß und er in einem Interview folgenden Satz von sich gab: „Die aggressivsten Nationen der Welt sind die USA und Großbritannien.“ Dieser Satz geht mir bis heute nicht aus dem Kopf, denn obwohl pauschal formuliert, kann man ihn angesichts der historischen Abläufe während der Kolonialzeit und auch nachher nicht von der Hand weisen.

Daraufhin nahm ich den verstaubten Klassiker Noam Chomsky „Die 5. Freiheit“ aus meinem Bücherregal. Er war lange Zeit für mich eines der Bücher, die mir die Welt erklärten. Und zwar auf eine sehr plausible und fast überall auf der Welt nachvollziehbare Art und Weise. Lange Reisen durch Lateinamerika verstärkten meine kritische Haltung der Politik des „Uncle Sams“ gegenüber. Dabei wollte ich aber nie als eine linke Revolutionsromantikerin gesehen werden, die von Kubas Palmenstränden und vom Realsozialismus träumt.

Chomsky fügt den vier Freiheiten Roosevelts, als dieser die Ziele der US-Außenpolitik formulierte, nämlich Meinungs- und Glaubensfreiheit, Freiheit von Mangel und Not und Freiheit von Furcht, eine fünfte hinzu: die Freiheit zu Raub und Ausbeutung.

Auch heute noch dient die US-Außenpolitik dem Ziel, eine internationale Ordnung zu schaffen und aufrechtzuerhalten, die den wirtschaftlichen Interessen der USA dient. Die USA haben eine Message und sie besitzen ein starkes Sendungsbewusstsein und tragen ihre „Frohbotschaft“ – wenn es sein muss auch mit Waffengewalt – in die Welt hinaus. Dabei verfolgen sie selbstbewusst scheinbar das Ziel, eine heile und demokratische Welt zu erschaffen.

In Wirklickeit aber fahren sie weit besser, wenn sie mit dem angeblichen Übel (wie zum Beispiel Kommunisten oder Drogenproduzenten; Sündenböcke sind per Definition austauschbar) kooperieren. Reine Verschwörungstheorie? Lesen Sie dazu das Thema „Drogen“ (ab Seite 27). Die beiden SÜDWIND-Redakteure Robert Poth und Ralf Leonhard arbeiteten investigativ und fanden viele Belege für die These, dass der US-Antidrogenkampf mehr Übel schafft als er beseitigt und er gerade deshalb geführt wird.

Johan Galtung gab mir einen beruhigenden Satz mit auf den Heimweg: „Jedes Imperium wird irgendwann mal zu Ende gehen.“ Klar, die Frage ist nur wann, und was wird nachkommen? Die Turbulenzen rund um die US-Präsidentschaftswahl riefen erste Zweifel am vorbildhaften demokratischen System der Vereinigten Staaten in der öffentlichen Meinung hervor. Auch Tiefschläfer wurden wachgerüttelt. Aber warum denn nicht schon viel eher? Angesichts der Tatsache, dass in den USA seit Wiedereinführung der Todesstrafe vor 24 Jahren insgesamt 672 Verurteilte hingerichtet wurden, ist diese Frage nahe liegend.

P.S: Anfang Jänner wird Werner Hörtner wieder von seinem Sonderurlaub, den er großteils in Kolumbien und Griechenland verbracht hat, in die Redaktion gut erholt und mit neuen kreativen Ideen zurückkommen. Ralf Leonhard und Martina Kargl, die Werner Hörtners Ressorts während seiner Abwesenheit betreuten, werden auch in Zukunft zu den SÜDWIND-Autoren gehören.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern ein friedliches Weihnachtsfest und viel Glück im neuen Jahr. Das nächste SÜDWIND-Magazin erscheint als Doppelausgabe Ende Jänner.

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